"Karneval in Köln 2015" versus "Mainz bleibt Mainz" - Kölner Rosenmontagssitzung in der ARD


Dom, Kölsch, Dreigestirn, Die Bläck Föös, Die Räuber und Marc Metzger, Kasalla und wie sie alle heißen....
Dies sind nur einige der wenigen Begriffe und Namen, die man während des Karnevals und auch im vermeintlich unlustigen Restjahr in Köln zu hören bekommt und die eigentlich für die Qualität des Kölner Karnevals stehen. Wer sich über die Mediathek die ARD Karnevalssendungen zu Gemüte geführt hat, der hat auch als Rheinländer - und ich zähle mich aufgrund von Geburt und Sozialisation zu Selbigen - das Gefühl, dass etwas ganz erheblich schief läuft im Kölner Karneval.
Noch vor wenigen Jahren gab es neben den echten Unterhaltern, die heute noch aktiv und hier lobenswert genannt werden sollen, die alten Größen, die Garanten für ein Spitzenprogramm, das auf Dialekt, Witz, Ulk und Poenten setzte und Aktiven, die einfach Kölner Karneval lebten.
Natürlich hat sich der Kölner Karneval schon immer grundsätzlich vom Mainzer Karneval unterschieden. Dies wurde in diesem Jahr - egal ob im Sitzungskarneval als auch in den Zügen - alleine schon durch den Umgang mit kritischen Themen der Weltpolitik deutlich und es soll auch gar nicht erst versucht werden, den Kölner Karneval meenzerischer zu machen, aber wer die Sitzung in Mainz (Mainz bleibt Mainz am Freitag 13.02.2015 ARD) und die in Köln (Karneval in Köln 2015 am Montag 16.02.2015 ARD) gesehen hat, dem dürfte auch durch die kölsche Brille nicht entgangen sein, dass das Programm aus dem Gürzenich kaum unterhaltsam war, bzw. eher einer Musiksendung, die von schnellen Schnitten und wenig Moderation lebte, ähnelte.
Dass innerhalb der Sendung das Saal- und Fernsehpublikum auch noch zweimal das gleiche Lied zu hören bekam (Micky Brühl und Die Paveier) mag nur noch als „Nebensache“ gelten, denn zumindest das Publikum im Gürzenich schunkelte und sang in gewohnter Kölner Zähigkeit mit, aber als die Redebeiträge kamen, konnte man die 5 Beiträge leicht nach Qualität sortieren und im Verhältnis zur gesamten Sendezeit eher als Begleitprogramm titulieren.
Es scheint den Kölner Karnevalisten nicht zu gelingen, den Nachwuchs kontinuierlich zu fördern, geschweige denn, echte karnevalistische Freudenspender auf die Bühne zu bringen. Bis auf Marc Metzger kann man Bernd Stelter, Guido Cantz und Klaus und Willi auch ganzjährig auftreten lassen. Da war Metzgers permanenter Hinweis auf die suggerierte Ausstrahlung an Rosenmontag ein wunderbarer verbaler Tritt in den Hintern der ARD-Verantwortlichen und situativer Witz.
Im Vergleich zu den Größen in Mainz, also Guttenberg (Hans-Peter Betz), Till (Friedrich Hoffmann), Lars Reichow, Ernst Lustig  (Jürgen Wiesmann), Ein Mainzer Lehrer (Detlev Schönauer), und die "Jecken unter den Mainzern" nämlich Martin Heininger und Christian Schier waren die Kölner eher... unjeck... um nicht zu sagen so dynamisch und agil wie der Rosenmontagszug in Köln des Jahres 1991!

Dies gilt aber nur für den Sitzungskarneval. Der Zug ist einmalig in der Welt, die Stimmung in den Kneipen und das dafür nötige Karnevalsgen nur in der Region so anzutreffen. Das Problem scheint in der Struktur des professionellen Karnevals zu liegen, denn Et Botterblömchen, Der Weltenbummler, Ne Kölsche Schutzmann, Das Colonia Duett und Der Mann von der Blauen Partei waren und Marc Metzger sind Beweise für das jecke Potential... wo aber ist es geblieben?

Gibt es Alternativen?

Nun war ich auch auf einer Prunksitzung. Nein, nicht in Köln aber in Siegburg. Auch hier traten Kölner Größen wie Die Räuber, Marc Metzger, Der Weltenbummler auf und auch hier überwog die Musik.
Vielleicht ist es aber eine Sache, die Fernsehen nicht transportieren kann: Stimmung, die von Herzen kommt und die über Jahrzehnte reifen muss: Das Kölsche Wesen. Wenn der Saal bebt und Lieder von tausenden Stimmen mitgesungen werden, dann taugt auch der beste Receiver und HD-TV nichts. Dann wird einem klar, dass das Gefühl, welches beim Erklingen von "Denn wenn et Trömmelche jeht" aufkommt, ernst gemeint ist.

Und jetzt?

Für das Fernsehen bedeutet dies, dass Sendungen wie am Rosenmontag in der ARD einfach nicht förderlich sind, um den Kölner Karneval würdig zu vertreten. Lieder präsentieren, kann der WDR im abendlich, karnevalistischen Programm - aus den WDR-Arkaden, aus Kneipen - besser. Hier kommt die Stimmung, die der Jeck kennt und erwartet, dem Vorbild weitaus näher.

Vielleicht sollte man auch einfach mal den Mut haben, die Sitzungen nicht zu übertragen, vielleicht werden die Offiziellen dann zu einer intensiveren Nachwuchsförderung motiviert, vielleicht erwacht dann auch das Potential in manchen Jecken, die die Sendung aus ihrer Region am Montagabend vermissen und sich auf die Bühne stellen wollen, um Kölle und den Kölsche Fasteleer wieder in Schwung zu bringen.
Schön wäre es, aber es ist ein langer Weg, denn die Hans Süpers fallen nicht vom Himmel, der Auftritt des Weltenbummlers in Siegburg zeigt, dass das alte Kölner Narrentum bis heute immer noch efolgreich funktioniert, der Nachwuchs lässt sich also nicht durch einen Arbeitsauftrag wie "seid kreativ und lustig" in Schulen und Kindergärten erzwingen.
So wie der liebe Gott sich schon sehr oft als wahrer Kölner bezüglich des Wetters am Rosenmontagszug geoutet hat, so möge er jetzt auch in dieser Frage mal aktiv werden...