Früher war alles besser!? - Oder: Wie sich unser Hobby verändert!

Als ich vor rund 10 Jahren wieder intensiv in das vorher von mir bereits ausgeführte Hobby  zurückkehrte, gab es in der Stadt, in der ich damals meine Berufsausbildung absolvierte, noch zwei echte Spielwarenläden. Der eine war in einer Geschäftspassage untergebracht und führte neben Puppen und Einkaufsläden aus Holz auch Eisenbahnartikel und Plastikmodelle verschiedener Hersteller. Eine ältere Dame führte das Geschäft und war in diesem Metier groß geworden. Sie kannte die Marken, die Feinheiten und konnte auf Anhieb Fragen zu Ersatzteilen und anderer Bezugsquellen nennen.
Das andere Geschäft lag in der Nähe einer der großen Stadtkirchen und führte im Erdgeschoß Spielwaren für Kleinkinder und Kinder, im Keller hingegen wurden die großen Kinder beglückt. Hier betrat man einen Raum, der an der Decke und auch in manchen Regalen gefüllt war von perfekt gebauten Papiermodellen. Der Fachverkäufer - ob es der Besitzer war, habe ich nie erfragt - baute diese Modelle während der Ladenzeiten und war ebenfalls in der Materie.
Damals machte er mich auf etwas aufmerksam, was zwar eine große Hilfe darstellte, aber vermutlich zu dem führte, was mich zu diesem Artikel bewogen hat. Er zog einen Katalog aus der Schublade, der alle Modelle der bekanntesten Hersteller beinhaltete und die man bei diesem Versandhaus beziehen konnte. Es war die Zeit, als man aufgrund der geringen Übertragungsraten im Internet eher weniger bestellte und den örtlichen Handel noch aufsuchte.
Es war vermutlich einer der Gründe, warum ich bei der Rückkehr nach Bocholt beide Geschäfte nicht mehr vorfand. Das Fachgeschäft der Dame war von einer Filiale einer Spielwarenkette mit englischem Titel übernommen worden, wobei "übernehmen" suggeriert, dass auch die Angebotsvielfalt noch gegeben sei. Was man hier zu kaufen bekommt, sind nicht die von Modellbauern gesuchten Produkte.
Das zweite Geschäft war ebenfalls verschwunden. Gänzlich. Nun war ich allerdings neugierig geworden und schritt durch die Innenstadt auf der Suche nach einem Spielwarengeschäft. Ich fand einen Modelleisenbahnladen, klein aber gut sortiert. Ich frug den Besitzer, wo die Geschäfte denn geblieben seien und er teilte mir mit, dass beide aufgrund der immer geringer werdenden Nachfrage nach hochwertigen Spielwaren aufgegeben hatten. Nur die Dame habe sich in ein Kaufhaus zur Untermiete einquartiert. Ein Besuch zeigte, dass das Angebot stark geschrumpft war, jedoch noch ein wenig des alten Geistes vorhanden war.
Früher gab es Fachgeschäfte in meiner Heimatstadt und der Region, die als wahre Paradiese des Modellbaus galten. Ich nenne diese Geschäfte, in der Hoffnung, dass es auch noch andere Enthusiasten des Modellbaus gibt, die sich an diese Geschäfte erinnern können. Hier nenne ich zuerst ein Geschäft in Siegburg, welches auf zwei Etagen prall gefüllt war mit allem, was sich das Kinder- und Erwachsenenherz an Spielzeugen erträumen konnte.

Altes Preisschild des Spielwarengeschäftes Wippermann in Siegburg
Der Besitzer, Herr Wippermann, lebte für Spielzeuge und vermittelte diese Begeisterung auch an die Kunden, hier kaufte ich alles für meine Eisenbahn und auch mein erstes ferngesteuertes Auto. Noch heute habe ich diese Artikel in den Originalverpackungen mit dem schön geschwungenen Schriftzuges der Firma Wippermann. Leider schloss dieses Geschäft bereits vor vielen Jahren, eine bis heute bedauernswerte Tatsache, die wohl auf einen nicht mehr tragbaren Anstieg der Mieten in den Innenstädten mit der einhergehenden Filialisierung zu begründen ist. Erschwert durch die Veränderungen in den Kinderzimmern.
Auch das Fachgeschäft "Kehl" in Troisdorf war gut sortiert und schloss vermutlich ebenfalls aus den oben genannten Gründen vor Jahrzehnten. Allerdings blieb hier die Verkaufsfläche über Jahre unvermietet.
In den letzten Jahren habe ich mich auch wieder verstärkt dem Thema RC-Modellbau gewidmet und feststellen müssen, dass die 25 Jahre seit meinem letzten Modell, der Marina von Graupner, erhebliche Veränderungen mit sich gebracht haben. Das mag jetzt naiv klingen, aber ich hatte mich sehr wohl auf Veränderungen der Produktvielfalt und der Techniken vorbereitet, aber es ist schlimmer als ich dachte.
In den oben genannten Fachgeschäften kaufte ich in unregelmäßigen Abständen Kataloge der verschiedene Hersteller, zum Beispiel Robbe oder Graupner und dies waren echte Pamphlete. Mehrere hundert Seiten, prall gefüllt mit hochwertigen Hochglanzbildern, die eine echte Angebotsvielfalt an Modellen, Beschlagsätzen, Zubehörteilen und allen technischen und handwerklichen Gerätschaften offerierten.
Als ich nun wieder in dieses Hobby einsteigen wollte, musste ich feststellen, dass die Firmen entweder mit der Insolvenz zu kämpfen hatten oder eine starke Reduzierung bzw. eine Umgestaltung ihres Programmes vorgenommen hatten.
Die Anzahl der Schiffsmodelle bei beiden Firmen ist an einer Hand abzuzählen, wobei wir hier von den echten Modellen reden, die, die man selber bauen muss. Das ist meine Vorstellung von Modellbau. Meine Modelle, die ich damals eher schlecht als recht gebaut habe, wollte ich nun wieder herstellen, aber Teile gibt es nicht mehr. Keine Chance. Das ist auch ein Grund dafür, dass ich auf Hersteller ausgewichen bin, die ich damals noch gar nicht kannte, nicht weil es sie damals nicht gab, sondern weil sie entweder Bausätze anboten, die ich mir gar nicht hätte leisten können und / oder gar nicht hätte bauen können.
Genau das spiegelt wohl die derzeitige Entwicklung in der Modellbaubranche wieder. Selberbauen ist entweder gar nicht mehr gefragt und die Hersteller bieten fertige bzw. fast fertige Modelle an -  auf Neudeutsch auch RTR und ARTR genannt, also Ready-to-run oder Almost-Ready-to-run - oder derart feine und präzise Modelle, die einen Modellbaueinsteiger überfordern würden bzw. das Ergebnis aufgrund der hohen Kosten in keinem Verhältnis stehen würde.
Manche Hersteller geben ganz auf, wie zum Beispiel die Firma Vollmer, die seit Jahrzehnten Modelle für Modelleisenbahnen gebaut hat und Mitte 2014 die Produktion einstellen wird. Große deutsche Hersteller - selbst Hersteller von Spielwaren schlechthin, nämlich Märklin - wurden mehrfach verkauft, übernommen und standen auf der Kippe... schluckten andere Hersteller (LGB) und produzieren teilweise im Ausland, um überleben zu können.
Generell scheint es schwieriger zu werden, junge Menschen an das Hobby Modellbau heranzuführen, die Alternativen sind ebenfalls reizvoll und die Frustration eventuell geringer, wenn man gerade den Bau eines Modells für 20 Euro nicht nach den eigenen Vorstellungen und insbesondere den Bildern aus den vielen Foren erfolgreich, naturgetreu und fehlerfrei beenden konnte, dafür aber am Computer oder dem Handy ein erfolgloses Level eines Spieles beliebig oft wiederholen kann.
Wenn nun aber die jungen Leute gar nicht mehr in das Hobby einsteigen, dann wird der Markt dünner. Die jetzt noch Aktiven kaufen sich zunehmend anspruchsvollere Modelle, der Einsteigermarkt für echte Modelle ist nicht rentabel, wird aufgegeben oder dünnt stark aus.
Spielwarengeschäfte spezialisieren sich auf ein Spezialgebiet oder geben ganz auf. Das Internet wird zur Ersatzinnenstadt. So ist auch das Beispiel des Spielwarenhauses "Wasser" in Siegburg sinnbildlich für die Veränderungen der Branche.
Ein Blick auf viele Homepages von Schiffsmodellbauclubs spiegelt diese Entwicklung zum Teil wieder. Auch in meiner Heimatstadt wurde der ansässige Schiffsmodellbauclub aufgelöst. Die jungen Menschen strömen nicht mehr nach sondern tröpfeln höchstens noch nach.
War also früher alles besser? Es war anders, definitiv...
Ich habe das Gefühl, dass es heute professioneller geworden ist. Man kauft sich heute hochwertige Modelle, die viel Vorwissen und Können voraussetzen, man kauft hochwertige Zusatzteile und baut "Scratch". Gab es damals schon so perfekte Modelle wie heute...? Ich behaupte nein. Wird es in Zukunft noch das Spielzeug geben, das als Einstieg in ein lebenslanges Hobby dienen wird? Nein und was dann....? Viellicht werde ich mich in 25 Jahren noch einmal dazu äußern. Bis dahin frohes bauen... selber bauen.

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